Wieso sollte man einen Stift verwenden, wenn doch heutzutage alles für die Tastatur optimiert ist? Der Computer ist mittlerweile das dominanteste Medium zur Produktion von schriftlichen Erzeugnissen. Ob zu Kommunikationszwecken, dem Erstellen eines Manuskriptes für ein Buch, oder das Erledigen administrativer Aufgaben: Geschrieben wird mit Tastatur am Computer.
Dennoch zeigt sich mit den immer populärer werdenden Eingabestifte einen leichten Gegentrend. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl verschiedener Anbieter, welche diese Stifte mit unterschiedlichem Fokus bewerben. Apples Variante «lässt sich genauso einfach und natürlich benutzen wie ein normaler Stift.» Samsung wirbt hingegen damit, dass man per Stift Inhalte von einem Gerät auf ein anderes übertagen kann, wobei der Stift dafür die Bluetooth Verbindung wechseln muss. Microsoft stellt in seiner Werbung die Praktik des Notizenmachens in den Vordergrund: […] «greater sensitivity, and virtually no lag to help you capture your thoughts and get more done.» Auf die vielseitige Einsetzbarkeit des Eingabestift wird bei Lenovo hingewiesen, wobei der Fokus bei dieser Werbung klar auf der Kreativität und den vielen Möglichkeiten «to express yourself» liegt. Überraschenderweise wurde lediglich in der Werbung von Lenovo die kreativen Aspekte eines Eingabestiftes thematisiert. Das Internet ist schliesslich voll mit Videos von Kunstschaffenden, die zeigen, wie sie ihre Werke mit eingabestiften auf Tabletts realisieren. Es scheint allerdings so, als ob diese Dimension des Anwendungsbereiches in der breiten Öffentlichkeit nicht präsent wäre. Obwohl dies nur ein kleiner Ausschnitt aus einer Vielzahl von Werbungen für Eingabestifte ist, wird bereits eine breite Palette an Argumenten benutzt zum Kauf dieser Stifte anzuregen. Dies Zeigt einerseits, dass sich, zumindest aus Sicht dieser Unternehmen, diese Stifte sehr vielseitig einsetzen lassen und andererseits, dass sich noch keine allgemeingültige Praktik im Umgang mit diesen Stiften herauskristallisiert hat.
Der Eingabestift scheint in der Lage zu sein, Prozesse, wie das zeitnahe Notieren von Informationen, komplett zu digitalisieren und zu vereinfachen. Klar, wer das Zehnfingersystem beherrscht, dürfte keine Probleme haben während einem Meeting oder einer Vorlesung die wichtigsten Punkte in einem Textverarbeitungsprogramm niederzuschreiben. Jedoch stösst man schnell an technische Grenzen, wenn zum besseren Verständnis eine Skizze erstellt werden soll, die im besten Fall auch noch beschriftet werden müsste. In diesem Fall gibt es drei Mögliche Vorgehensweisen. Es wird schlicht darauf verzichtet eine Skizze zu erstellen, weil dies zu aufwändig und zeitintensiv wäre, die Skizze muss in der Nachbearbeitung erstellt und eingefügt werden oder, man greift zu Stift und Papier. Dabei ist jede dieser Möglichkeiten auf eine andere Weise suboptimal, man hat entweder keine Skizze, Mehraufwand, oder ein Informationskompositum, dass aufgrund der unterschiedlichen Medialität der einzelnen Komponenten nicht am selben Ort abgelegt werden kann. Der Eingabestift löst solche Probleme, da direkt digital in ein Dokument hineingezeichnet werden kann, oder schon bestehende Grafiken unkompliziert beschriftet werden können. Gerade im universitären Kontext sehe ich grosses Potential für diese Stifte. Im Normalfall werden die Vorlesungsfolien den Studierenden im vorherein, üblicherweise als pptx oder pdf Format, zur Verfügung gestellt, wodurch sie während der Vorlesung mit dem Eingabestift komplett digital beschriftet und kommentiert werden können.
Ein weiterer Anwendungsbereich für die Eingabestifte ist die Navigation auf dem Bildschirm. Obwohl Laptops und flächendeckender Internetzugang das Arbeiten unterwegs gut möglich machen, lässt die Navigation auf dem Gerät via Touchpad, im Vergleich zur Maus, einiges zu wünschen übrig. Um dieses Problem zu lösen, verfügen immer mehr Laptops über Touchscreentechnologie, was sich jedoch, je nach physiologischer Beschaffenheit der bedienenden Finger und der Empfindlichkeit des Bildschirms, ebenfalls als suboptimale Lösung erweisen kann. Gerade das Anwählen kleiner Kacheln oder Menupunkte in Drop Down Menus sind mit einem Eingabestift viel einfacher zu bewerkstelligen, da die Eingabe auf dem Bildschirm mit grösserer Präzision erfolgt.
Des Weiteren sind diverse Programme schon seit einiger Zeit fähig handschriftliche Eingaben mit einem Stift in eine Computergenerierte Schrift umzuwandeln. Diese Technologie scheint jedoch, zumindest auf dem jetzigen Stand der Technik, eher eine technische Spielerei zu sein als wirklich nützlich. Falls man sich nicht gerade mit einer Bildschirmtastatur begnügen muss, ist die Eingabe mittels Tastatur ist in diesem Fall schlichtweg effizienter.
Was auch immer das Ziel der Anwendung eines Eingabestiftes ist, die Implementierung von stiftbasierten Eingaben auf Computer und Tablet zeigt auf jeden Fall, dass ein handschriftliches, wandelbares Zeicheninventar eine gute Ergänzung zum statischen Zeicheninventar der Tastatur darstellt.
Quellen:
https://www.apple.com/ch-de/shop/product/MU8F2ZM/A/apple-pencil-2-generation
https://www.samsung.com/us/mobile/mobile-accessories/phones/s-pen-pro-black-ej-p5450sbegus/#benefits
https://www.microsoft.com/en-us/d/surface-pen/92fp8q09qhxc/4VRG?activetab=pivot:techspecstab
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